Candlesticks gelten als die Chartvariante der Profis. Tatsächlich enthalten die Kerzencharts sehr viel mehr Informationen als einfache Liniencharts. Die Kombination bestimmter Kerzen kann sogar ein konkretes Kauf- oder Verkaufssignal darstellen. Dieser Beitrag erklärt, wie Candlesticks funktionieren und welche Informationen Trader kennen müssen.
Was sind Candlesticks? Eine Einführung für Einsteiger
So funktionieren Candlesticks
Wie funktionieren Candlesticks? Der Chart unten zeigt einige Kerzen. Jede Kerze besitzt einen Kerzenkörper, einen oberen Docht und einen unteren Schatten. Es gibt ersichtlich weiße und rote Kerzen.
Zunächst ein Blick auf den Kerzenkörper. Ist der Kerzenkörper weiß, liegt der Schlusskurs der Periode über dem Eröffnungskurs der Periode. Bei einem Candlestick Tageschart liegt der Schlusskurs des Tages somit über dem Eröffnungskurs des Tages. Der Schlusskurs entspricht dann dem oberen Rand des Kerzenkörpers.
Ist der Kerzenkörper rot, ist es andersherum. Der Schlusskurs der Periode liegt dann unter dem Eröffnungskurs. Der Schlusskurs entspricht dem unteren Rand des Kerzenkörpers.
Der höchste Punkt des Dochts markiert den Höchstkurs der Periode. Der niedrigste Punkt des Schattens markiert den Tiefstkurs der Periode. Dies gilt unabhängig von der Farbe der Kerze.
Candlestick Grundvarianten
Einzelne Begriffe rund um Candlesticks sind für das Verständnis unerlässlich. Je größer die Differenz zwischen dem Eröffnungs- und dem Schlusskurs einer Periode, desto größer der Kerzenkörper. Große Kerzen werden auch als Longday bezeichnet. Kerzen mit geringen Unterschieden zwischen Eröffnungs- und Schlusskurs weisen einen kleinen Kerzenkörper auf und werden als Shortdays bezeichnet.
Spinning Tops
Spinning Tops sind kleine Kerzen, bei denen Docht und Schatten jeweils länger als der Körper ausfallen. Die Farbe der Kerze spielt dabei keine Rolle. Spinning Tops gelten als Indiz für einen richtungslosen, unentschlossenen Markt.
Dojis
Dojis sind Kerzen ohne Körper. Diese treten auf, wenn Eröffnungs- und Schlusskurs gleich ausfallen. Ein sogenannter langbeiniger Doji weist einen langen Docht und einen langen Schatten auf. Dies gilt als besonders starkes Indiz für einen unentschlossenen Markt. Der Gravestone Doji hat keinen Schatten, jedoch einen langen Docht. Je länger der Docht, desto aussagekräftiger ist diese Formation.
Der Gravestone Doji ist ein Indiz für fallende Kurse. Dies erschließt sich intuitiv. Was sagt ein Candlestick ohne Körper und Schatten, jedoch mit einem langen Docht aus? Am betreffenden Tag ist der Kurs zeitweise deutlich gestiegen, dann aber wieder deutlich zurückgefallen. Schlussendlich wurde kein Tagesgewinn erzielt. Sämtliche im Tagesverlauf gesehenen Gewinne wurden wieder abgegeben. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass sich großer Verkaufsdruck im Markt befindet.
Das Gegenstück zum Gravestone Doji ist der Dragonfly Doji. Hier handelt sich um eine Kerze ohne Körper, mit langem Docht und ohne Schatten.
Candlesticks enthalten mehr Informationen
Der größte Vorteil von Candlesticks besteht darin, dass sie mehr Informationen enthalten als Liniencharts. Ein Linienchart enthält nur den jeweils letzten Kurs einer Periode (Stunde, Minute, Tag, Woche etc.). Ein Candlestick-Chart enthält zusätzlich den Eröffnungskurs sowie den höchsten und niedrigsten Kurs der Periode. Diese zusätzlichen Informationen verraten mitunter wertvolle Aspekte über die Kräfteverhältnisse im Markt.
Was dies in der Praxis bedeuten kann, wird in den beiden Abbildungen unten deutlich. Die obere Abbildung zeigt einen Candlestick-Chart. Die Abbildung darunter zeigt denselben Chart als Linienchart.
Im Candlestick-Chart sind verschiedene Informationen sichtbar, die im Linienchart komplett fehlen. Dazu zählen insbesondere Kurslücken. Diese sind im Linienchart generell unsichtbar. Auch Details wie zum Beispiel Indizien für Unentschlossenheit im Markt werden im Linienchart gänzlich unterschlagen.
Angehende Trader sollten sich deshalb so schnell wie möglich an Candlestick-Charts gewöhnen. Auf den ersten Blick mögen diese etwas unübersichtlicher erscheinen. Die Vielzahl an zusätzlichen Informationen verbessert die Chance im aktiven Trading jedoch signifikant.
Wichtige Candlestick Formationen
Es gibt einige wichtige Candlestick Formationen, die Trader kennen sollten. Dazu zählen insbesondere Umkehrformationen und Fortsetzungsformationen. Umkehrformationen treten am Ende eines Trends auf und signalisieren eine Trendwende. Fortsetzungsformationen treten inmitten eines Trends auf und bestätigen die Trendrichtung.
Candlestick Umkehrformationen
Eine Umkehrformation signalisiert, dass der bestehende Trend enden könnte. Eine als Umkehrformation interpretierte Abfolge verschiedener Kerzen ist somit nur relevant, wenn sie in der richtigen Trendphase auftritt. In einem Abwärtstrend gibt es keine bearishe Umkehrformation. Es können zwar Kerzen auftreten, die einer solchen Formation gleichen. Diese sind jedoch ohne Aussagekraft, wenn ein Abwärtstrend vorliegt.
Evening Star und Morning Star
Zwei sehr wichtige Candlestick Umkehrformationen sind der Morgenstern und der Abendstern. Es handelt sich um Formationen mit drei Perioden (bei Tagescharts also drei Tagen). Die Aussagekraft dieser Formation gilt allgemein als hoch. Hier wird der Abendstern beschrieben. Der Morgenstern funktioniert spiegelbildlich.
Der Abendstern ist eine bearishe Umkehrformation und tritt somit am Ende eines Aufwärtstrends auf. Der erste Tag ist eine lange weiße Kerze, die in einem Aufwärtstrend nicht weiter auffällt. Der nächste Handelstag eröffnet mit einer Kurslücke. An diesem zweiten Handelstag fällt die Handelsspanne überschaubar aus, sodass diese Kerze nicht allzu groß ist. Schlusskurs und Eröffnungskurs liegen nah beieinander. Es handelt sich jedoch um eine weiße Kerze: Der Schlusskurs liegt über dem Schlusskurs des Vortages. Am dritten Tag eröffnet der Markt mit einer Lücke unterhalb des Körpers der zweiten Kerze. Der Schlusskurs am dritten Tag liegt unterhalb der Mitte der ersten Kerze.
Die Definition des Abendsterns ist keineswegs willkürlich. Sie folgt einer strikten Logik im Hinblick auf die Analyse von Angebot und Nachfrage. Die zweite Kerze ist ein Indiz dafür, dass dem Markt sprichwörtlich die Puste ausgeht. Die dritte Kerze signalisiert, dass zum gegenwärtigen Preisniveau erheblicher Verkaufsdruck besteht.
Candlestick Fortsetzungsformationen
Eine Fortsetzungsformation bestätigt den vorherrschenden Trend. Formationen können somit ausschließlich in Trendphasen auftreten bzw. sind ansonsten ohne Signifikanz.
Zu den bekanntesten Candlestick Fortsetzungsformationen zählt Rising Three Methods. Die Formation besteht aus insgesamt fünf Kerzen und bestätigt den vorherrschenden Aufwärtstrend. Die erste Kerze besteht aus einer großen weißen Kerze im Aufwärtstrend. Die nächsten drei Kerzen bilden zusammen einen Abwärtstrend. Mindestens zwei dieser Kerzen sind rot. Die drei Kerzen finden sich jedoch innerhalb des Körpers der ersten Kerze.
Am fünften Tag folgt eine große weiße Kerze, mit der ein neues Hoch markiert wird. Diese Fortsetzungsformation kann zum Beispiel gut im Rahmen von Ausbruchstrategien und Trendfolgestrategien gehandelt werden.
Candlesticks halten sich nicht immer ans Lehrbuch
Wer sich mit Charts beschäftigt, wird schnell feststellen dass sich Kursformationen nicht immer ans Lehrbuch halten. Das gilt auch für Candlesticks. Es kann sich anbieten, auf bestimmte Signale zu achten, auch wenn diese nicht die Definition einer Candlestick Formation erfüllen. Ein Beispiel dafür ist der Chart unten. Dieser zeigt den CAC40 für einen Zeitraum von mehreren Monaten. Zweimal kam es nach einer längeren Abwärtswelle zu einer kurzen bzw. längeren Umkehr. Nach der ersten Abwärtswelle trat ein klassischer Hammer auf: Eine Kerze mit extrem langen Docht, dem eine weiße Kerze folgte. Danach kam es zu einer Aufwärtsbewegung um insgesamt mehr als 3 %.
Nach der zweiten Abwärtsbewegung trat eine Kerze mit relativ langem Docht auf, die jedoch keinen Hammer darstellt. Im Anschluss an diese Kerze kam es zu einem deutlich längeren Aufwärtstrend im Bereich von ca. 20 %.
Mit einem Marktscanner nach Hammer Formationen suchen: Bringt es Gewinne?
Für die Suche nach Candlestick Formationen (und im Übrigen auch allen anderen Kursformationen) können Marktscanner eingesetzt werden. Diese Tools filtern die Formationen heraus. Marktscanner sind eine sehr nützliche Errungenschaft. Dennoch sollten Trader nicht davon ausgehen, dass sich einfach dadurch Gewinne erzielen lassen, dass mit einem Scanner nach einer bestimmten Formation gesucht und diese anschließend gehandelt wird.
Ein Beispiel für den Einsatz von Marktscannern ist in der Abbildung unten zu sehen. Wir haben nach Candlestick Hammerformationen gesucht. Diese traten in der Covestro Aktie auf Tagesbasis innerhalb eines Jahres mehrfach auf. Das Auftreten ist durch die roten Dreiecke markiert. Insgesamt trat der Hammer siebenmal auf. Über alle sieben Signale hinweg hätten sich mit einer Strategie mit enger Verlustbegrenzung mutmaßlich Gewinne erzielen lassen. Es wurden jedoch auch mehrere Fehlsignale produziert.
Wer einen Marktscanner bemüht, wird relativ viele Candlestick Formationen angezeigt bekommen. Ein Beispiel dafür ist in der Abbildung unten zu sehen. Ein Marktscanner wurde damit „beauftragt“, den Kursverlauf der Henkel Aktie nach interessanten Candlestick Formationen zu durchforsten. Das Ergebnis:
Für Candlesticks gilt deshalb wie für alle Instrumente der technischen Analyse, dass ein kombiniertes Auftreten die Aussagekraft erhöht. Tritt ein Abendstern auf dem Niveau eines signifikanten Kreuzwiderstands auf, ist dies zum Beispiel ein sehr starkes, kombiniertes Signal.