Was ist die Technische Analyse? Eine Kurzeinführung für Einsteiger

Die technische Analyse basiert auf drei Prämissen. Diese bilden gleichzeitig die Daseinsberechtigung und den methodischen Kern. Die drei Prämissen lauten:

• Die Marktbewegung diskontiert alles
• Kurse bewegen sich in Trends
• Die Geschichte wiederholt sich

Prämisse I: die Marktbewegung diskontiert alles

Die Prämisse könnte auch lauten: Alle relevanten Informationen sind bereits im Kurs enthalten. Die Technische Analyse betrachtet Märkte ausschließlich anhand ihres Kursverlaufs. Die TA ist nicht an Kursgewinnverhältnissen, Umsatzzahlen oder Konjunkturdaten interessiert. Sie geht vielmehr davon aus, dass alle diese Informationen bereits eingepreist (eskomptiert) sind. Egal ob fundamental, psychologisch, politisch: Jede Information ist bereits im Kurs enthalten. Auch Insiderinformationen spiegeln sich der Überzeugung der TA zufolge in den Notierungen bereits wider.

Ist diese grundlegende Prämisse tatsächlich realistisch? Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst eine weitere Frage gestellt werden: Was ist der Kurs? Der Kurs ist der Preis eines Marktes (zum Beispiel des Marktes für eine Aktie). Der Preis ist das Resultat von Angebot und Nachfrage. Ein steigender Preis resultiert aus einem Nachfrageüberhang, fallende Preise gehen auf einen Angebotsüberhang zurück. Dies gilt für alle ökonomischen Zusammenhänge. Die Technische Analyse zieht daraus den Schluss, dass steigende Kurse ein Hinweis auf einen Nachfrageüberhang sind. Ein Nachfrageüberhang wiederum muss aus Fundamentaldaten resultieren, die höhere Preise rechtfertigen.

Kurse bewegen sich in Trends

Die Technische Analyse geht davon aus, dass sich Kurse in Trends bewegen. Dabei gibt es Aufwärtstrends, Abwärtstrends und Seitwärtstrends. Trends gibt es der TA zufolge auf allen Zeithorizonten. Ein Trend kann innerhalb eines Handelstages auftreten oder sich über Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg erstrecken.

Das Kernziel der TA besteht darin, Trends in einer frühen Phase zu identifizieren. Der Grund: Die TA leitet aus ihrer Prämisse ab, dass Trends sich mit einer größeren Wahrscheinlichkeit fortsetzen, als dass sie enden.

Die Geschichte wiederholt sich

Die TA betrachtet neben Trends auch Kursformationen (die letztlich eine Kombination verschiedener Trendstadien darstellen). Viele Kritiker der Technischen Analyse halten dies für Kaffeesatzleserei. Tatsächlich gehen Kursformationen jedoch auf bestimmte psychologische Verhaltensmuster zurück. Da diese Muster in der Vergangenheit eine signifikante Aussagekraft besaßen, wird dies auch für die Zukunft unterstellt.

Im Gegensatz zur Fundamentalanalyse berücksichtigt die Technische Analyse nicht nur Fundamentaldaten. Der Kurs berücksichtigt zusätzlich deren tagesaktuelle Interpretation durch die Marktteilnehmer. Diese tagesaktuelle Interpretation ist maßgeblich durch psychologische Aspekte bestimmt.

Die Fundamentalanalyse geht davon aus, dass jeder Vermögensgegenstand einen inneren Wert hat. Notiert der Preis eines Vermögensgegenstands unter diesem inneren Wert, wird gekauft. Notiert der Preis über diesem Wert, wird verkauft. Diese Methode lässt sämtliche psychologischen Aspekte außer Acht.

Hätte die Fundamentalanalyse Recht und gäbe es keine nicht fundamental bedingten Schwankungen, müsste das Kurs-Gewinn-Verhältnis in großen Märkten eigentlich relativ konstant verlaufen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis gibt an, welches Vielfache des Jahresgewinns eines Unternehmens die Aktie kostet. Bei einem KGV von 10 notiert der Kurs somit zehnmal so hoch wie der angepeilte Gewinn pro Aktie für das laufende oder das nächste Geschäftsjahr.

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis wird auch für Aktienindices wie zum Beispiel den DAX berechnet. In der Zeit von 1979-2016 schwankte das KGV im DAX zwischen Werten von unter 8,0 bis hin zu Werten über 31,0. Lassen sich solche Schwankungen tatsächlich ohne psychologische Aspekte erklären?

Anhänger der TA gehen davon aus, dass die Schwankungen durch unterschiedliche Wahrnehmungen der Marktteilnehmer zu erklären sind. Ein niedriges KGV geht mit niedrigen Aktienkursen einher. Diese treten auf, wenn die Marktteilnehmer verängstigt sind und Risiken besonders stark wahrnehmen.

Die Technische Analyse bietet ihren Anwendern viele Vorteile. Insbesondere kann die TA auf jeden Markt und in jeder zeitlichen Dimension angewandt werden. Technische Analyse ist für Aktien, Futures, Rohstoffe, Zinssätze bzw. Anleihen, Währungen, Kryptowährungen und weitere Märkte möglich. Die Methoden können intraday genauso angewandt werden wie viele extrem langfristige Analysen mit Betrachtungszeiträumen von mehreren Jahrzehnten.

Ein weiterer wesentlicher Vorteil besteht darin, dass die benötigten Werkzeuge Tradern durch CFD Broker in der Regel kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Moderne Handelsplattformen enthalten nicht nur eine lückenlose Versorgung mit Kursdaten, sondern ermöglichen auch die Analyse von Charts. Neben verschiedenen Chartvarianten stehen dazu auch relativ einfach ausgestattete Anwendungen und diverse Zeichenwerkzeuge, Social Network Funktionen und unzählige Indikatoren zur Verfügung.

Die Fundamentalanalyse wäre dabei mit einem weitaus größeren Aufwand verbunden. Anleger müssten zumeist hohe Preise für den Zugriff auf geeignete Datenbanken bezahlen, Bilanzen analysieren und viele weitere Maßnahmen unternehmen.

Die Technische Analyse steht immer wieder in der Kritik durch Anhänger der Fundamentalanalyse. Zu den harmloseren Vorwürfen gehört jener der selbsterfüllenden Prophezeiung. Auch als Kaffeesatzleserei oder gar Scharlatanerie wird die TA mitunter bezeichnet.

Eine sich selbsterfüllende Prophezeiung könnte eintreten, wenn eine große Zahl von Marktteilnehmern dieselbe Formation handelt. Dann könnte es in einem engen Kurskorridor zu einer ungewöhnlichen Häufung von Kauf- bzw. Verkaufsorders und daraus resultierenden Kursschwankungen kommen.

Dies ist zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht sehr wahrscheinlich. Der Grund liegt darin, dass Marktteilnehmer die technische Analyse zwar in allen Märkten anwenden, in jedem Markt jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher Zeithorizonte analysiert wird. Es ist unwahrscheinlich, dass wirklich eine sehr große Zahl von Marktteilnehmern eine ganz bestimmte Formation fokussiert.

Der Werkzeugkasten der Technischen Analyse ist erfreulicherweise weitgehend in gängigen Softwarelösungen enthalten. Zur technischen Analyse werden im Wesentlichen Charts, Zeichenwerkzeuge und Indikatoren benötigt.

Wichtige Zeichenwerkzeuge sind zum Beispiel Trendlinien, Trendkanäle, Regressionsgeraden, horizontale und vertikale Linien und Fibonacci Retracements. Die Zahl der potentiell anwendbaren Indikatoren ist nahezu unermesslich. Bekannte Indikatoren sind zum Beispiel ADX, MACD, RSI, CCI und viele mehr.

Technische und fundamentale Analyse schließen sich keinesfalls aus. Viele fundamental orientierte Anleger nutzen die technische Analyse zum Timing. Ein Beispiel: Ein Anleger identifiziert eine unterbewertete Aktie. Diese befindet sich in einem starken Abwärtstrend. Würden ausschließlich die Maßstäbe der Fundamentalanalyse angelegt, müsste die Akte sofort gekauft werden – schließlich ist sie unterbewertet. Erfahrene Trader wissen jedoch, dass der Griff ins fallende Messer meistens schmerzhaft ist. Deshalb ist es an dieser Stelle sinnvoll, auf Signale für eine Trendwende zu warten und erst dann in die dann erst recht unterbewertete Aktie zu investieren.